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Keine Kontrolle. Und es ist nicht so, wie es scheint.

Ein Placebo-Button ist fahrlässig und manchmal bösartigHaben Sie schon einmal von einem "Placebo-Button" gehört? Mit Sicherheit sind Sie schon einmal einem solchen Knopf begegnet, wahrscheinlich sogar unwissentlich. Am häufigsten findet man sie an Fußgänger-Ampeln oder in Aufzügen. Der Schalter zum Umschalten auf Grün bzw. der Knopf zum Schließen der Tür ist mit keinem System verbunden und dient häufig nur dazu, den Menschen ein Gefühl der Kontrolle zu vermitteln.

In ähnlicher Weise sind viele in Büros installierte Thermostate nicht wirklich mit dem HLK-System des Gebäudes verbunden. Der Gebäudeverwalter stellt die Temperatur ein und gibt seinen Mietern ein nicht funktionierendes Thermostat - damit sie das Gefühl haben, etwas getan zu haben, während sie sich den Arsch abfrieren.

Placeboknöpfe nähren unsere Illusion von Kontrolle, denn wir haben alle ein typisches menschliches Verlangen, Ereignisse aller Art beeinflussen zu können. Und dabei überschätzen wir uns meistens maßlos. Wir alle brauchen das Gefühl, die Kontrolle zu haben und wir glauben das auch unbesehen - auch wenn das nachweislich nicht der Fall ist. Und so freuen wir uns kindisch, wenn wir wiederholt auf einem nicht funktionierenden "Tür schließen"-Knopf im Aufzug herumhämmern, auch wenn dadurch die Türen keinesfalls schneller schließen.

Ein "Placebo-Knopf" ist relativ harmlos, wenn er vorgibt, eine Tür "zu schließen", aber wenn es um den Datenschutz geht, sind solche Einrichtungen bestenfalls grob fahrlässig. Und schlimmstenfalls geradezu bösartig.

Sowohl Apple als auch Google wurden kürzlich zu empfindlichen Geldstrafen in dreistelliger Millionenhöhe verurteilt, und das, weil sie sich personenbezogene Daten in betrügerischer Absicht unter den Nagel gerissen hatten. Nutzer wurden getrackt und verfolgt, nachdem diese mit UI-Elementen interagiert hatten, die eine solche Verfolgung eigentlich ausdrücklich verhindern sollten.

Im Fall von Apple entdeckten Forscher, dass mehrere integrierte Anwendungen Daten an Apple sendeten, z.B. was die Nutzer antippten, nach welchen Anwendungen sie suchten, welche Werbung sie sahen usw. - selbst wenn die Nutzer derlei Einstellung deaktiviert hatten. Bei Google wurden sogar noch Standortdaten aufgezeichnet, selbst wenn die Standortverfolgung der Geräte ausgeschaltet war. Diese Daten wurden dann gewinnbringend an Werbetreibende verscherbelt.

Wenn ein Nutzer mit einem UI-Element interagiert, erwartet er, dass das auch funktioniert. Zwar haben Menschen kein Grundrecht auf eine schnelle Grünphase an einer Fußgängerampel oder auf das schnelle Schließen einer Fahrstuhltür. Aber sie haben ein Grundrecht auf Privatsphäre. Wenn ein Placebo-Schalter dieses oder ein anderes Grundrecht verletzt, ist das Dingens nicht mehr harmlos, sondern bösartig.

Foto: Kelly

17.11.2022

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