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Barrierefreiheit für digitale Medien per Gesetz - was ist zu tun?

Barrierefreie Websites ab Juni 2025 verpflichtend!Viele Entscheider werden mit den Augen rollen... wieder eine Internet-Baustelle, wieder neue Dokumentationspflichten - und ggf. wieder neue Abmahngründe für Verbraucherschützer und zwielichtige Anwälte. Um was geht's?

Ab Mitte des Jahres 2025 tritt für Betreiber von Websites und Anwendungen eine gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung von Barrierefreiheitsstandards in Kraft. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das die Vorgaben der EU-Richtlinie zum European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht umsetzt. Ziel dieser gesetzlichen Maßnahme ist es, europaweit konsistente Standards für Barrierefreiheit zu etablieren und dadurch die Zugänglichkeit digitaler Angebote für Menschen mit Behinderungen zu verbessern.

Das BFSG basiert auf der europäischen Norm EN 301 549, die als technischer Rahmen dient und weitgehend auf den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) aufbaut. Die WCAG stellen ein umfassendes Regelwerk dar, das von der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortiums (W3C) entwickelt wurde und Kriterien für die Erstellung barrierefreier Inhalte definiert.

Pflichten und Fristen für Website-Betreiber:

Anwendungsbereich:

  • Websites und mobile Anwendungen: Ab dem 28. Juni 2025 müssen sämtliche neu erstellte Websites und mobile Applikationen den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Dies betrifft sowohl öffentliche als auch private Anbieter.
  • Vorhandene Inhalte: Für bereits existierende Websites und Apps gilt eine Übergangsfrist bis zum 28. Dezember 2026. Während dieses Zeitraums müssen Betreiber ihre bestehenden Inhalte nach und nach anpassen, um sie barrierefrei zu gestalten.
  • Ausnahmen: Bestimmte Ausnahmen gelten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die mehr Zeit für die Umsetzung erhalten können. Zudem sind einige spezielle Anwendungsfälle (z.B. historische Dokumente oder bestimmte Live-Inhalte) von der Barrierefreiheitspflicht ausgenommen.

Wer ist ab 28. Juni 2025 betroffen?

Alle Wirtschaftsakteure, die folgende Dienstleistungen digital anbieten:

  • Online-Handel (E-Commerce)
  • Online-Bankdienstleistungen
  • Elektronische Bücher & E-Book-Plattformen
  • Personenbeförderung (z. B. ÖPNV-Apps, Online-Ticketing)
  • Telekommunikations­dienste
  • Zahlungsdienste
  • Behördliche Online-Dienstleistungen, sofern von Privaten im Auftrag erbracht

Alle Unternehmen, die die oben genannten Produkte in Verkehr bringen oder vertreiben:

  • Computer, Smartphones, Tablets
  • Geld-, Fahrkarten- und Check-in-Automaten
  • Smart-TV-Geräte mit interaktiven Funktionen
  • E-Reader usw.
Ausnahme: Kleinstunternehmen
Weniger als 10 Beschäftigte UND Jahresumsatz bzw. -bilanz = 2 Mio. € sind von den Dienstleistungs-Pflichten befreit (nicht von Produktpflichten, falls sie Hersteller sind). Dennoch ist freiwillige Barrierefreiheit auch für diese Unternehmen sinnvoll, um ihren Kundenkreis zu erweitern und Diskriminierungsfreiheit zu gewährleisten.

Barrierefreiheitsanforderungen:

Konformität mit WCAG 2.1: Die Anforderungen des BFSG orientieren sich an der Konformität mit den WCAG 2.1 auf mindestens Stufe AA. Diese Richtlinien umfassen verschiedene Erfolgskriterien, die sicherstellen, dass Inhalte für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen (z.B. Seh-, Hör- oder motorische Beeinträchtigungen) zugänglich sind.

Technische Umsetzung: Zu den konkreten Maßnahmen gehören unter anderem die Bereitstellung von Textalternativen für Bilder, die Verwendung von barrierefreien Formularen, die Gewährleistung einer Tastaturnavigierbarkeit, die korrekte Markierung von Sprachwechseln und die Sicherstellung einer ausreichenden Farbkontraste.

Dokumentation und Überwachung:

  • Barrierefreiheitserklärung: Betreiber müssen eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihrer Website veröffentlichen, die den aktuellen Stand der Umsetzung dokumentiert. Diese Erklärung sollte Informationen darüber enthalten, welche Teile der Website barrierefrei sind und welche noch optimiert werden müssen.
  • Überwachung und Durchsetzung: Die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen wird durch verschiedene Überwachungsmechanismen sichergestellt. In Deutschland ist die Bundesbeauftragte für Barrierefreiheit (BfB) für die Kontrolle zuständig. Bei Verstößen können Bußgelder verhängt werden. Zudem können betroffene Nutzer Beschwerde bei der BfB einreichen oder rechtliche Schritte einleiten.

Praktische Schritte zur Umsetzung:

  • Barrierefreiheitsaudit: Führen Sie eine umfassende Überprüfung Ihrer Website oder App durch, um Barrieren zu identifizieren und Prioritäten für die Anpassung zu setzen.
  • Schulung und Sensibilisierung: Informieren Sie Ihr Team über die Bedeutung von Barrierefreiheit und schulen Sie Mitarbeiter in der Erstellung und Pflege barrierefreier Inhalte.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Barrierefreiheit ist ein fortlaufender Prozess. Planen Sie regelmäßige Überprüfungen und Aktualisierungen Ihrer digitalen Angebote, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass Website-Betreiber ab Mitte 2025 verpflichtet sind, ihre digitalen Inhalte barrierefrei zu gestalten. Die Einhaltung der WCAG 2.1 auf Stufe AA sowie die Veröffentlichung einer Barrierefreiheitserklärung sind wesentliche Komponenten dieser gesetzlichen Anforderungen. Eine frühzeitige Vorbereitung und kontinuierliche Anpassung sind entscheidend, um die Fristen einzuhalten und mögliche Sanktionen zu vermeiden.

Fristen

Datum Bedeutung
28.06.2025 Inkrafttreten der Barrierefreiheitsanforderungen für Websites, mobile Anwendungen und andere digitale Dienstleistungen
2025 Vorbereitung notwendig: Audit, technische Anpassungen, Schulung, Dokumentation
Bis 2030 Bestandsschutz für Produkte, die vor dem 28.06.2025 in Verkehr gebracht wurden (z.B. bestehende Software, falls keine wesentlichen Updates erfolgen)

Checkliste

Unsere Checkliste zur Barrierefreiheit können Sie sich hier herunterladen.

Rechtsquellen

1. European Accessibility Act (EAA)

  • EU-Richtlinie 2019/882
  • Gilt für privatwirtschaftliche Anbieter (nicht nur öffentliche Stellen)
  • Ziel: Einheitliche Standards für Barrierefreiheit innerhalb der EU

2. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

  • Deutsches Umsetzungsgesetz des EAA
  • Verabschiedet im Juli 2021
  • Gilt ab 28. Juni 2025 für viele privatwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen

3. Barrierefreiheitsanforderungen basieren auf:

  • EN 301 549 (europäische Norm)
  • Diese verweist auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – insbesondere Version 2.1 auf Konformitätsstufe AA
Foto: RenMa

23.04.2025

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